Bund und Länder wollen bei akuten Corona-Ausbrüchen örtlich begrenzte Ausreisesperren ermöglichen, um eine Verbreitung des Virus zu verhindern. Solche Beschränkungen sollten "zielgerichtet erfolgen und müssen sich nicht auf den gesamten Landkreis beziehungsweise die gesamte kreisfreie Stadt beziehen", sondern könnten sich auf die "tatsächlich betroffenen Bereiche" beschränken.
So heißt es in einer Beschlussvorlage für die Gespräche der Staatskanzleichefs der Länder mit dem Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) an diesem Donnerstag, die dem SPIEGEL und anderen Medien vorliegt.
In dem Entwurf steht, dass Beschränkungen "nicht erforderlicher Mobilität in die besonders betroffenen Gebiete hinein und aus ihnen heraus" spätestens dann geboten seien, wenn die Zahl der Infektionen weiter steige und es keine Gewissheit gebe, dass die Infektionsketten bereits umfassend unterbrochen werden konnten.
Zu dieser Beschlussempfehlung wiederum äußerten sich bereits die Gesundheitsminister der Länder, deren Vorsitz die Berliner Senatorin Dilek Kalayci (SPD) innehat. Auch sie befürworten zielgenauere, lokale Beschränkungen in Regionen mit einem starken Corona-Ausbruch. Lokale Ausreisesperren könnten dabei "ein geeignetes Mittel" sein, heißt es in einem Papier der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), das dem SPIEGEL vorliegt.
Ministerpräsidenten verzichten auf Expertise der Gesundheitsminister
Die Ministerinnen und Minister empfehlen, künftig kleinere örtliche Einheiten bei einem Ausbruch einzuschränken. "Die Abriegelung ganzer Bezirke zum Beispiel in Hamburg oder Berlin ist nicht möglich", heißt es in dem Papier. Es dürfe bei solchen Maßnahmen keinen Automatismus geben: "Entscheidungen müssen vor Ort flexibel von den zuständigen Behörden getroffen werden."
Schon zuvor hatte Kalayci als GMK-Vorsitzende in einem Brief an Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der derzeit die Konferenz der Regierungschefs (MPK) leitet, darum gebeten, in die Diskussion eingebunden zu werden.
"Die Gesundheitsministerkonferenz, als Gremium der Landesgesundheitsbehörden, möchte fachlich und umgehend in diesen Prozess der Überarbeitung der Beschlüsse einbezogen werden", heißt es in Kalaycis Schreiben vom Mittwoch, das dem SPIEGEL vorliegt.
Die bayerische Staatskanzlei lehnte den Vorstoß hingegen freundlich ab. Die "Expertise" werde zwar "hoch geschätzt", jedoch sei eine "förmliche Abstimmung nicht vorgesehen", heißt es in der Antwort.
Bislang gelten für Corona-Hotspots keine Ausreisesperren
Nach Informationen des SPIEGEL soll von den Chefs von Staatskanzleien und Kanzleramt noch am Donnerstag ein Beschluss gefasst werden. Bislang gelten für Corona-Hotspots keine Ausreisesperren. Vielmehr verhängen die Bundesländer Einreisebeschränkungen und Übernachtungsverbote für Menschen aus betroffenen Landkreisen.
Zuvor hatte sich Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag dafür ausgesprochen, Einwohner von betroffenen Gegenden vorübergehend mit Ausreisesperren zu belegen, damit sie das Virus nicht im Rest des Landes verbreiten. Mehrere Landeschefs hatten es aber abgelehnt, solche Sperren für ganze Landkreise zu verhängen.
Zuletzt hatten mehr als 1000 positiv getestete Mitarbeiter des Fleischfabrikanten Tönnies in Nordrhein-Westfalen zu regionalen Einschränkungen im öffentlichen Leben in den Kreisen Gütersloh und Warendorf geführt.
Betroffen waren zeitweise rund 640.000 Einwohner. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte die von der Landesregierung verfügten Einschränkungen allerdings nach einiger Zeit gekippt. Das zuständige Gesundheitsministerium hätte nach dem Corona-Ausbruch inzwischen eine differenziertere Regelung erlassen müssen, ein Lockdown für den ganzen Kreis sei nicht mehr verhältnismäßig, hatte das Gericht erklärt.
spiegel
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